Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen

WINTERSEMESTER 2025/26

WS 25/26 BSc. LA 1

Cool zu Fuss!

Innenstädte gehören zu den am stärksten beanspruchten Räumen unserer Städte: Sie sind Orte des Handels, der Begegnung, der Kultur – und zugleich hochverdichtete, stark versiegelte Flächen. Durch den Klimawandel geraten sie zunehmend unter Druck. Dichte Bebauung, fehlendes Stadtgrün und eine hohe Wärmespeicherung in Bodenbelägen und Fassaden führen zur Ausbildung von urbanen Hitzeinseln. An heißen Sommertagen erreichen diese Flächen Temperaturen, die deutlich über dem Umland liegen und die Aufenthaltsqualität erheblich einschränken. Besonders Fußgängerzonen sind davon betroffen: Als zentrale Achsen urbaner Mobilität und Konsumräume verfügen sie meist über wenig Vegetation und bieten nur begrenzte Möglichkeiten zur Kühlung oder Verschattung.

Die Folgen sind nicht nur physisch spürbar – wie eine stärkere Wärmebelastung für Passant:innen und Beschäftigte – sondern auch sozial: Aufenthaltsqualität und Nutzungsmöglichkeiten sinken, während die gesundheitliche Belastung für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen oder Kinder steigt. Fußgängerzonen sind somit nicht nur Verkehrs- und Einkaufsräume, sondern auch Schlüsselflächen für die klimatische Anpassung von Innenstädten. Sie bieten die Chance, durch neue Gestaltung und Infrastruktur sowohl zur Abkühlung beizutragen als auch Orte der Gemeinschaft und Aneignung zu schaffen.

Die Wuppertaler Fußgängerzone ist hierfür ein besonders spannendes Beispiel. Sie bildet die zentrale Verbindung zwischen Hauptbahnhof, Döppersberg und Neumarkt und prägt das Gesicht der Elberfelder Innenstadt. Gleichzeitig ist sie durch eine überwiegende Versiegelung, hohe Frequenz und geringe Durchgrünung belastet. In den letzten Jahren wurde ihre Neugestaltung vorbereitet und teilweise bereits begonnen: Neue Bäume, Brunnen, helle Beläge und eine moderne Infrastruktur sind erste Schritte in Richtung einer Transformation. Doch noch immer besteht großes Potenzial, diese zentrale Fläche klimatisch, sozial und gestalterisch zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

Im Seminar werden die Studierenden deshalb untersuchen, welche Maßnahmen zur Kühlung und Vitalisierung solcher Räume beitragen können. In einer ersten Phase wird Wissen zu klimarelevanten Gestaltungselementen, Materialien, Infrastrukturen und sozialen Prozessen gesammelt. Anschließend analysieren die Studierenden die Wuppertaler Fußgängerzone vor Ort und identifizieren ihre Stärken und Schwächen. Den Abschluss bildet ein Entwurf, in dem einzelne Abschnitte der Fußgängerzone transformiert und schließlich zu einem gemeinsamen Modell zusammengeführt werden – als Vision einer klimaresilienten, lebenswerten Innenstadt.

WS 25/26 ES 1/3

Bürgewald Calling! Wer zieht in das Dorf der Zukunft?

 

Das Rheinland ist seit Jahrzehnten geprägt vom Braunkohleabbau – einem Eingriff von enormem Maßstab, der nicht nur Landschaften, sondern ganze Dörfer verändert hat. Für die Ausweitung der Tagebaue wurden über viele Jahre hinweg Orte umgesiedelt, Häuser abgerissen und gewachsene Nachbarschaften auseinandergerissen.

Mit dem beschlossenen Kohleausstieg und der teilweisen Rückführung von Abbauflächen ändert sich die Situation nun grundlegend: Dörfer wie Bürgewald, die ursprünglich der Abbaggerung zum Opfer fallen sollten, bleiben erhalten. Die Gebäude sind baulich weitgehend intakt, weisen jedoch teils erheblichen Sanierungsbedarf auf und sind größtenteils unbewohnt. Die Bewohner:innen, die ihre Heimat verlassen mussten, haben sich inzwischen in Neu-Morschenich neue Lebensmittelpunkte aufgebaut. Damit stellen Dörfer wie Bürgewald eine seltene Ausgangssituation dar: ein vorhandener räumlicher Rahmen, dem eine funktionierende Bewohnerschaft fehlt.

Mit dem Rahmenplan Hambach und den politischen Entscheidungen auf Landesebene wurde festgelegt, dass der Braunkohleabbau im Tagebau Hambach bis 2029 eingestellt wird. Danach soll durch die Einleitung von Rheinwasser der sogenannte Hambach-See entstehen, der als zentrale landschaftliche und freiraumplanerische Folgeaktivität dient. Dieses neue Gewässer und seine Uferzonen werden als wichtiger Bestandteil der landschaftlichen Rekultivierung betrachtet und bieten langfristig Potenzial für Freizeit, Naturerlebnis und Erholung. Gleichzeitig ist die Umsetzung nicht unumstritten: Umweltverbände wie der BUND kritisieren die geplante Flutung mit unbehandeltem Rheinwasser und fordern eine Filterung, zudem gibt es Proteste gegen die Rodung kleiner Waldflächen wie des „Manheimer Sündenwäldchens“, die als wichtige Lebensräume für Fledermäuse gelten.

Bürgewald ist damit ein besonders spannender Untersuchungsfall. Die Gemeinde Merzenich hat das Dorf von RWE zurückgekauft, ein Masterplan wird derzeit erarbeitet und soll Ende des Jahres beschlossen werden. Dieser Masterplan legt vor allem einen räumlichen Rahmen fest, beantwortet jedoch noch nicht, wer künftig in Bürgewald leben soll, wie sich eine funktionierende Dorfgemeinschaft herausbilden kann und welche Prozesse notwendig sind, um einen neuen sozialen Alltag zu etablieren. Das Dorf soll sukzessive wiederbesiedelt werden; für unterschiedliche Teilbereiche, Zukunftsfelder und Gebäudeensembles werden künftig Gewerbetreibende und Akteure gesucht, die sich im Rahmen von Konzeptvergaben bewerben können.

Genau daraus ergeben sich zentrale Fragen für die Dorfentwicklung der Zukunft: Soll man solche Dörfer einfach wieder „auffüllen“ und baulich weiterbauen? Soll man sie umbauen, neu programmieren oder ganz andere Wege gehen? Vor allem aber: Was macht ein Dorf eigentlich aus? Ist es die gebaute Struktur – Straßen, Plätze, Häuser – die ein Dorf lebendig macht, oder sind es vor allem die Menschen, ihre Netzwerke, Vereine und Organisationen, die den sozialen Kitt bilden?

In den vergangenen Jahren haben bereits mehrere Hochschulen – u. a. die FH Aachen, die RWTH Aachen und die TU Darmstadt – räumliche Konzepte und Szenarien für Bürgewald entwickelt. Zudem tagt jährlich die tu!Hambach, um wichtige Fragen der regionalen Entwicklung und der Zukunft der Dörfer im Rheinischen Revier zu diskutieren. Viele der planerischen Fragestellungen sind damit bereits untersucht worden. Aus dieser Vorarbeit heraus, insbesondere aufbauend auf dem bereits bestehenden Forschungsbeitrag „Re.SET – Bürgewald – Ort der Zukunft“ der TU Darmstadt, haben wir uns mit dem Lehrstuhl Ökonomie des Planens und Bauens der BU Wuppertal und der TU Darmstadt zusammengeschlossen, um die jeweiligen Perspektiven und Kompetenzen zu bündeln.

Unser Seminar versteht sich als kreativer Beitrag innerhalb dieser Forschungsgruppe. Wir legen den Schwerpunkt bewusst weniger auf neue städtebauliche Entwürfe, sondern auf die sozialen und kulturellen Grundlagen des Dorflebens: Welche Menschen sollen künftig hier leben? Welche Gemeinschaftsangebote braucht es? Wie kann eine soziale Mischung entstehen? Welche Organisationsformen und Entscheidungsstrukturen können helfen, ein lebendiges Miteinander zu schaffen?

Die Studierenden arbeiten in interdisziplinären Teams gemeinsam mit der Fakultät für Public Interest Design. Ziel ist es, die eigenen Erkenntnisse in den größeren Prozess einzuordnen und damit einen Beitrag zur Frage zu leisten, wie Bürgewald als Dorf der Zukunft lebendig werden kann.

Die Studierenden werden in der 1. Phase einen Dorfatlas entwickeln, der Dorfideen, Dorfakteure und Dorfräume untersucht. In Phase 2 liegt besonderes Gewicht auf der Zusammenführung von räumlichen und gesellschaftlichen Analysen. Mit der Erstellung einer Personas Journey und einer Zielgruppen-Map wird der aktuelle Akteursstand sichtbar, fehlende Akteure werden identifiziert. In der 3. Phase werden die Studierenden schließlich einen Kampagnenfilm produzieren, der potenzielle Akteure anspricht und motiviert, Teil von Bürgewalds Zukunft zu werden.

Das Semester ist in drei Phasen gegliedert:

  • Phase 1 – Dorfatlas: Entwicklung eines Dorfatlas, der Dorfideen, Dorfakteure und Dorfräume untersucht und mit Best-Practice-Beispielen illustriert.
  • Phase 2 – Analyse Bürgewald: Zusammenführung räumlicher und gesellschaftlicher Analysen, Identifikation von Teilbereichen, Erstellung einer Stakeholder-Map und einer Personas Journey, um den aktuellen Akteursstand sichtbar zu machen und fehlende Akteure zu erkennen.
  • Phase 3 – Kampagnenfilm: Konzeption und Produktion eines Kampagnenfilms, der gezielt die für Bürgewald benötigten Akteure anspricht und motiviert, Teil der Dorfentwicklung zu werden.

zuletzt bearbeitet am: 03.11.2025